Bewertung: ⭐⭐⭐⭐
Kurzmeinung: Faszinierender Schreibstil und faszinierender Roman!
Ergreifend!
Bernardine Evaristo ist die erste schwarze Frau, die den "Booker Prize" (dem Oscar in der Bücherwelt ;)) gewonnen hat und das zurecht.
Wenn ihr mehr zu ihr, ihre Erfolge und Kämpfe erfahren wollt. Schaut euch hier einen interessanten und kurzen (fünf Minuten) Beitrag über "Mädchen, Frau etc." und Bernardine Evaristo bei ttt an.
(Hier links seht ihr ihren Lebenslauf aus dem Buch. Ich finde allein die Geschichte der Autorin unglaublich!)
Dieser Roman handelt von 12 schwarzen britischen Frauen, die ihre Geschichte erzählen . Sie alle haben ein Kapitel in dem sie ihre Lebensgeschichte erzählen und einen, mit dem was sie sagen, umhauen. Es sind Frauen verschiedenster Altersklassen und verschiedenster Ziele und Träume. Aber doch sind sie alle auf gewisser Weise mit einander verbunden. Sie sind alle miteinander verstrickt. Es ist als würden sich die Frauen an den Händen halten; nicht jeder kennt jeden, aber jemand den man kennt, kennt jemanden...
Amma musste sich als schwarze, lesbische Dramatikerin in Londons Theaterszene ihre Anerkennung hart erkämpfen. Aber jetzt steht sie kurz vor ihrer Premiere am National Theatre.
Yazz ist Ammas neunzehnjährige Tochter. Sie hofft nur, dass die Reaktionen auf das provokante Stück ihrer Mutter für sie nicht allzu peinlich wird.
Dominique war immer Ammas größte Unterstützerin. Sie ist extra aus Amerika gekommen, wo sie schon seit dreißig Jahren lebt, um sich das Stück anzuschauen.
Shirley ist schon seit der Kindheit Ammas beste Freundin. Sie war jahrzehntelang Lehrerin an einer unterfinanzierten Schule. Die ehemalige Problemschülerin Carole, die es bis nach Oxford geschafft hat, ist ihr größter Verdienst.
Carole, die als Investmentbankerin nun mit den feinen Unterschieden der Upperclass konfrontiert ist, hat Shirley dafür nie gedankt.
Bummi, die aus Nigeria kommt, kann mit der Britishness ihrer Tochter Carole nichts anfangen, auch wenn sie ihr wohlweislich einen englischen Namen gegeben hat.
LaTisha, Caroles ehemalige Freundin, findet es abstoßend, wie Carole sich von ihrer Crew abgeschottet hat. Doch sie hat keine Zeit, um ihrer Freundin hinterher zu trauern, denn sie hat mit ihren eigenen Verlusten und Problemen zu kämpfen.
Penelope und Shirley sind Arbeitskolleginnen, die sich zuerst nicht verstehen... Sie hat ihr Leben lang damit zu kämpfen, dass sie als kleines Kind ausgesetzt wurde.
Megan/ Morgan hält in der Universität von Yazz eine Vorlesung über ihren Wandel zu einer nicht-binären Person.
Hattie ist Morgans Großmutter, die eine unbekannte Verbindung zu einer anderen der zwölf Frauen hat.
Grace, Hatties Mutter, ist die einzige Person, die zu der Zeit in dem der Roman spielt, nicht mehr lebt. Ihr Leben, mit einem schwarzen Vater und einer weißen Mutter, reicht weit in die Vergangenheit.
Zum Schreibstil kann ich sagen: er ist unglaublich! Der ganze Text ist ohne Satzzeichen oder gar vollständige Sätze geschrieben. Ich begreife immer noch nicht wie die Autorin das hinbekommt. Sie hat ihr eigenes Konzept entwickelt, dass individuell und einzigartig ist. Hier verlinke ich euch mal eine Leseprobe damit ihr versteht was ich meine ;) Man musste sich an den Schreibstil gewöhnen, damit man das Buch flüssig lesen kann und ich denke, dass er nicht für jeden etwas ist. In der Leserunde haben wir viel darüber diskutiert und andere Lese*innen kamen nicht so gut mit dem Schreibstil klar, wie ich. Ich brauchte nur wenige Seiten, dann sich der Schreibstil vollkommen normal angefühlt. An manchen Stellen finde ich ihn tatsächlich auch praktisch, da manche Satzphrasen besonders betont werden konnten.
(Auf dem Bild seht ihr einen Ausschnitt der Seite 136 aus dem Kapitel von Carole)
Die Handlung ist ebenso wie der Schreibstil besonders. Es wird die nacheinander die Geschichte britischer schwarzer Frauen erzählt, die aber doch alle miteinander verstrickt sind. Alle sind miteinander verbunden und doch so verschieden. Jeder Charakter ist einzigartig und sie wirken alle so lebendig! Es fühlt sich schon fast gar nicht mehr an wie ein Roman, sondern wie viele kleine Biografien. Es würde mich kein bisschen wundern, wenn es all diese Personen in echt gäbe. Besonders toll finde ich auch, dass man, obwohl es nicht in der Ich-Perspektive geschrieben ist, gut in die Gedanken hineinschauen können und jede Person auf seine eigene Art geschrieben ist. Der Schreibstil passt sich auf die Charaktere an und ist in jedem Kapitel also ein wenig anders.
Die Charaktere lernt man aber auch immer anders kennen. Da alle mit einander verstrickt sind, beschreiben viele verschiedene Personen einen einzigen Charakter. So lernt man einmal die eigene Sicht über ihr Leben, ihren Charakter und ihre Stärke, dann die Sicht ihrer Mutter oder Freundin. So hat man einen Charakter besonders gut kennengelernt.
Das Gute ist wenn einen einmal eine Person nicht gefallen hat, weiß man es wird noch jemand anderes kommen, der einem wieder gefallen wird. Die einzige Kleinigkeit die mich daran stört ist, dass ich Anfänge von Büchern immer nicht so sehr mag, da man sich erstmal in der Geschichte zurecht finden muss. Leider besteht das Buch nun mal aus vielen neuen Geschichten und vielen neuen Anfängen...
Am Anfang fand ich toll, das die Kapitel abgeschlossen waren und so gut wie nichts offen geblieben ist, doch in den späteren Kapiteln war mir der Schluss teilweise zu offen. Ich hätte gerne zu manchen Personen noch mehr gehört oder mir einen abgeschlosseneren Schluss gewünscht.
Als ich das in der Leserunde geschrieben habe wurde mir direkt die Frage gestellt, ob ich den Eindruck hatte, dass diese Kurzen Kapitel den Frauenleben gerecht werden? Und ob nicht alles doch zu oberflächlich sei, obwohl man das Schicksal der Frauen vom Kindesalter bin ins hohe Alter erzählt bekommt?
Darüber musste ich erstmal nachdenken, aber am Ende bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich manchmal tatsächlich diesen Eindruck hatte. Zum Beispiel wollte ich von manchen Frauen einfach mehr erfahren. Denn es werden bestimmte Themen einfach nur angerissen und nicht so zu Ende erzählt, wie ich es mir gewünscht hätte. Doch bei anderen Frauen finde ich, dass man gar nicht mehr erfahren muss. Das Kapitel hat einfach alles erzählt, was man wissen muss, um diese Frau voll und ganz zu verstehen.
Ich fand es aber auch faszinierend, dass manche Frauen nur ein Kapitel brauchen, um einen vollkommen umzuhauen.
Aber noch zwiegespaltener war ich auf die Frage, ob sich die Autorin hier mehr auf wenige Themen hätte beschränken sollen und diese dann ausführlicher zu beschreiben.
Denn dem konnte ich mich wieder nur teils teils anschließen. Einerseits finde ich gut, dass dieses Buch so vielfältig ist und so viele verschiedene wichtige Themen beschrieben wurden. Andererseits hätte ich es gut gefunden, hätte man manche Themen nicht nur angeschnitten sondern mehr thematisiert und man hätte mehr zu dem Thema erfahren.
Deswegen möchte ich hier an dieser Stelle auch sagen, dass es wahrscheinlich kein richtig oder falsch gibt, Die Autorin hat das so gemacht und ich denke daran ist nichts falsch. Die Frage ist nur, ob uns das als Leser*innen auch so gefällt und da ist jeder anders. Wie ihr hier seht gehen hier die Meinungen sehr weit auseinander. Es hat mir gut getan über dieses Buch in der Leserunde zu reden. Deswegen kann ich auch anderen empfehlen, diesen Roman nicht einfach nur zu lesen, sondern gemeinsam mit anderen darüber zu reden, denn es ist mir teilweise auch sehr schwer gefallen mir über dieses Buch eine Meinung zu bilden.
Zu den einzelnen Personen aus dem Roman möchte ich eigentlich nicht noch mehr verraten, als ich es ohnehin schon getan habe, aber zu ein paar Personen möchte ich noch was loswerden.
Besonders fasziniert hat mich der Abschnitt von Morgan. Ich denke, dass ich es besonders spannend fand, weil ich vorher über das Thema, das in diesem Kapitel beschrieben wurde, nicht so viel bescheid wusste. Denn wir verfolgen siers Leben und siers Weg zu einer nicht-binären Person. Doch am faszinierendsten fand ich, dass fast das ganze Kapitel mit sier, siem und Mx. geschrieben wurde. (gerade fällt mir auf, dass diese Wörter als falsch markiert werden, was nochmal deutlicher zeigt, wie wichtig es ist, dass man sie öfter benutzen muss) Ich wusste, dass es besondere Pronomen für nicht-binär gibt, doch genau kannte ich sie nicht. Doch nach nur einer Seite war es mir nicht mehr fremd, sondern normal. Man gewöhnt sich schneller daran als ich dachte. Ich finde es sollte viel mehr Bücher geben, die auf diese Art geschrieben sind, denn dann würden sich immer mehr Menschen daran gewöhnen und es wäre gar nicht mehr fremd (und es würde nicht mehr als falsch unterstrichen werden...)
(Auf dem Bild seht ihr einen Ausschnitt der Seite 370 von Magens/ Morgens Kapitel)
Die ersten zwei Personen Amma und Yazz und die letzten zwei Hattie und Grace haben mich am wenigsten umgehauen.
Bei Amma und Yazz könnte ich das vielleicht mit Anfangsschwierigkeiten entschuldigen. Doch Hattie und Grace waren zwar schön zu lesen, aber nicht genauso spannend und fesselnd, wie die Frauen zuvor. Das fand ich sehr schade, da es die letzten beiden Frauen waren auf die ich besonders hohe Erwartungen hatte.
Doch zu allen Frauen kann ich sagen, dass es alle wunderbare, kämpfende Menschen sind, die sich selber helfen und ihren Weg gehen, auf ihre eigene besondere Art und dabei haben sie sehr viel schwerer als viele andere Menschen in unserem Umfeld.
Das Buch endet nicht mit einer Person, sondern mit einem Fest bei dem sich die Frauen treffen. Ich hatte hohe Erwartungen auf das Ende und wurde leider enttäuscht. Es war lange
nicht so dramatisch, wie ich es erwartet hatte. Ich hätte diesem Roman wahrscheinlich glatte 4 Sterne gegeben, hätte es nicht den Epilog gegeben. Extra für ihn musste ich einen neuen Tag
erstellen ;) 4,5 Sterne!
Der Epilog ist nicht lang, aber er wird euch nicht enttäuschen! Der Schluss war so herzergreifend, dass mir sogar Tränen der Rührung gekommen sind ;) und ich habe die letzten
Zeilen bestimmt viermal gelesen.
Und das ist wohl das Ende, der längsten Rezi, die ich JE geschrieben habe... :))
Kommentar schreiben
Angelika (Mittwoch, 17 Februar 2021 15:59)
Ich glaube, das Buch muss ich lesen.
Renée | CoLibri (Mittwoch, 17 Februar 2021 22:03)
Ich denke, dass es dir im Original (also in Englisch) noch besser gefallen wird :) Ich kann mir gut vorstellen, dass da der Schreibstil noch besser rüberkommt. Auf jeden Fall freue ich mich, dass du meine Rezi bis zum Schluss gelesen hast :))